Die Zwölfe zum Gruße! Wie entsteht aus einer genialen Idee ein echtes Abenteuer? Ganz einfach: durch viel Schweiß, endlose Diskussionen, hunderte Mails, intensive Recherche und eine nimmermüde Begeisterung für die eigene Vision. Nach der Vorgeschichte „Auf den Spuren des Heiligen Leomar“ möchte ich heute einen Einblick in den Entstehungsprozess von „Das große Lorenrennen“ geben. Wohlan!
Jeder von uns hat schon Hunderte vermeintlich geniale Ideen gehabt – aber bei der Umsetzung derselben steckt der Teufel in tausend Details. Kaum hatte ich die Redaktion mit meinem Pitch begeistert und den Vertrag mit dem Ulisses-Verlag unterzeichnet, musste ich erst mal lernen, „wie man ein Autor für Das Schwarze Auge wird“. Da gibt es präzise Vorgaben, die ein kleines Regelwerk füllen würden. 😉 Meinen üblichen Ansatz nach Großmeister Tolkien, alles einfach runterzuschreiben, musste ich verwerfen. Da der Fantasy-Verlag Ulisses mit zahlreichen Autoren zusammenarbeitet, ist es notwendig, dass alle Schreiberlinge denselben Prozess durchlaufen und sich genauestens an die Formatierungsvorgaben halten. Upps.
Eine Sisyphos-Aufgabe: Ordnung im Chaos schaffen
Im Übereifer hatte ich bereits für die Outline statt der geforderten 25.000 Zeichen über 50.000 Zeichen geliefert. Also begann für mich eine nervenaufreibende Zeit endlosen Redigierens. Dabei habe ich mich immer gefragt: Wie schaffe ich es, dass auch Neulinge Spaß an einem Wagenrennen mit durchaus komplexen Regeln und einer Vielzahl an NSCs (Nicht-Spieler-Charakteren) mit einer eigenen Agenda haben?
Als Meister und Spieler von DSA-Abenteuern seit 1995 weiß ich, dass es nichts Ärgerlicheres gibt, als wenn man im Dokument ständig vor- und zurückblättern muss, um die gewünschte Information zu finden. Andererseits gibt es bei gerade einmal 14 Seiten Inhalt nahezu keine Möglichkeiten, Informationen zu wiederholen. So habe ich mich letztendlich entschlossen, die Gegner der Helden, inklusive ihrer Gefährte, Loren und Agenda in einem Überblick zu Anfang zu präsentieren – und später weitere Details hinzuzufügen. Dieser für ein Heldenwerk ungewöhnliche strukturelle Aufbau hat bei dem von mir hoch geschätzten Rezensenten Engors Dereblick berechtigte Kritik gesorgt. Beim nächsten Mal werde ich es besser machen, versprochen.
Ein Königreich für eine Karte
Eine weitere Herausforderung besteht darin, die Vorstellungen im Geiste, die einem selbst so einleuchtend sind, in möglichst wenige Worte und Bilder zu übersetzen – denn für Illustrationen zu spielentscheidenden Details wie z. B. der fünfgleisigen, 50m hohen Startrampe ist in einem Heldenwerk naturgemäß kein Platz. Wie bei einem Formel 1-Rennen sollten die Fahrer gleichzeitig starten – nur hintereinander gestaffelt, entsprechend ihrem Abschneiden im Qualifying. Dies habe ich versucht in einer Skizze darzustellen. Weiterhin ist es für ein Wettrennen absolut notwendig, dass sich die Fahrer in waghalsigen Manövern überholen können. Nach der Abfahrt ist die Rennstrecke unter dem Berge deswegen teilweise zweigleisig ausgebaut. Zeitweilig habe ich mit dem Gedanken gespielt, ob es nicht sinnvoll wäre, eine „Lupe“ der Illustration der Rennstrecke hinzuzufügen, damit die späteren Abenteuerleiter die Konstruktion der Startrampe besser nachvollziehen können. Im Zweifel gilt aber für die Illustrationen dasselbe wie für die Worte: Einfach weglassen und auf die Kreativität der Meister und Spieler vertrauen.
Oben könnt ihr sehen, wie aus meinem Scribble die finale Karte wurde. An dieser Stelle möchte ich die großartige Arbeit der Illustratoren Steffen Brand und Esther Schrader loben, die vieler meiner Details liebevoll in ein fantastisches aventurisches Design übersetzt haben. Übrigens: Für meine eigenen Abenteuergruppen habe ich die Karte in mehrfacher Vergrößerung ausgedruckt. Da alle 100 m eine Markierung vorhanden ist, kann man die Loren wie bei einem Brettspiel aufstellen. Für Strategiefüchse wie meine Helden macht es das Rennen lebendiger und für den Meister ist es leichter nachzuhalten, wer sich auf welcher Position befindet.
Brennend interessiert mich, wie ihr das Rennen in eurer Gruppe ausgespielt habt – schreibt gerne einen Kommentar.
Das Wichtigste beim Fantasy-Rollenspiel?
Es muss sich ECHT anfühlen.
Die meisten von uns werden schon mal in einer Seifenkiste den Berg hinabgesaust sein; aber wer von uns hat schon mal schwer gerüstet in einer Lore gesessen, die mit 100 Sachen einen steilen Berghang hinabschießt?!
Da stellen sich einem gewissenhaften Autor zahlreiche Fragen, die mehr mit physikalischen Gesetzen als mit einem kreativen Schreibprozess zu tun haben. Wie schwer und wie robust ist so ein Metallungetüm, wenn es mit mehreren Personen besetzt ist? Wie schnell wird so ein klobiges Gefährt überhaupt? Welche Kräfte (außer die auch in Aventurien waltenden Hangabtriebskraft, Luft- und Reibungswiderstand, Masse, Inertialmoment und Axxeleration) beeinflussen die maximale Geschwindigkeit – und könnte man diese manuell oder mechanisch steigern? Lässt sich ein Lorenrennen, bei den Zwergen auch als „Drachterbahnfahrt“ bekannt, eher mit Seifenkisten oder einem Bob vergleichen? Wie verhält sich ein starres Gefährt, wenn es um die Kurve geht oder über eine Weiche? Und, bei allen guten Göttern: Wie um Alverans Willen lässt sich so ein Klotz über einen Abgrund fliegen? Ach, du lieber – ich hatte genau ein Halbjahr lang Physik in der Schule. Ihr könnt euch denken, dass ich bei der Recherche ganz schön ins Schwitzen gekommen bin.
Am Ende vom Lied habe ich daraus das Beste gemacht, dass gesammelte Wissen auf zwei, drei einfache Formeln zu „Kurvenlage“ und „Maximalgeschwindigkeit“ verdichtet und mit „Ardus“, dem irren Mechanikus (frei nach dem Vorbild von Dr. Brown aus „Zurück in die Zukunft“) die Wissenschaft der „Ätherodynamik“ in Aventurien eingeführt. Er als Einziger wird die „Efferdkurbel“ zu würdigen wissen – eine wahrhaft zwergische Meisterleistung, die eines Leonardo von Havena würdig ist, bevor er zum größenwahnsinnigen Tyrannen von Yol-Ghurmak wurde. Ein winziges, aber witziges Detail, über das ich bis an mein Lebensende stolz sein werde.
Bei Angroschs Barte: Was sagt Ihr?
Alles in allem scheint mein Erstlingswerk trotz der vielen, ähem, innovativen Regel-Anpassungen und -Ergänzungen von der DSA-Community ganz gut aufgenommen worden zu sein. Im DSA-Forum haben ein Großteil der Spieler eine positive Bewertung abgegeben. Einzelne Rezensenten hätten sich noch mehr Unterstützung zur Ausgestaltung des Rennens, z. B. zu Überholmanöver und Karambolagen gewünscht. Ich kann die aventurischen Rennfahrerinnen und Recken beruhigen – im Heldenarchiv X wird „Das große Lorenrennen“ mit einigem Zusatzmaterial wie einer Tabelle für Karambolagen vertreten sein. Dafür war schlicht in dem dünnen Heldenwerk-Format kein Platz. Außerdem werden einige Passagen ergänzt, die dem Abenteuer noch mehr Tiefgang verleihen. Ich freue mich wie mein Narr ohne Namen drauf!
PS: Wer mitreden will, kann „Das Große Lorenrennen“ hier für wenige Silbertaler erstehen.
Im nächsten Beitrag werde ich auf die Charaktere und deren Vorbilder eingehen und möglichst selbstkritisch die Frage beantworten, was ich beim nächsten Mal besser machen würde. Weiterhin ist ein Ausblick geplant – denn:
Bei MALMAR, Angroschs seit Äonen klingendem Hammer – das Große Lorenrennen von Hammerschlag wird nicht das letzte seiner Art gewesen sein.

