Als Co-Autor des vorausgegangenen Quellenbandes „Das Erbe von Blaustein“ habe ich die Entwicklung des Settings um Burg Blaustein und den jungen Kaiserdrachen Drakantor mit großer Freude und Engagement begleitet. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an das Heldenwerk „Der Schatz von Blaustein“, welches diese Geschichte weitererzählen sollte. Leider muss ich feststellen, dass das Abenteuer die hohen Ansprüche, die durch das zugrundeliegende Setting – eine stark befestigte Burg und ein majestätischer Jungdrache im Konflikt um ein mythisches Erbstück – geschaffen wurden, in entscheidenden Punkten verfehlt.
Ich möchte meine Rückmeldung in positive Ansätze und Bereiche gliedern, die aus meiner Sicht dringend einer Überarbeitung bedürfen, um das Potenzial des Stoffes voll auszuschöpfen.
Starke Ansätze: Mythischer Konflikt im großartigen Setting
Der Grundgedanke des Abenteuers ist hervorragend gewählt und bietet ein leicht zugängliches, klassisches DSA-Szenario:
- Der Kernkonflikt: Die Idee eines generationenübergreifenden Streits um den Karfunkel des alten Kaiserdrachen, den die Zwerge erbeuteten, ist ein starkes, mythologisches Fundament. Die Parallelen zu bekannten Stoffen (wie dem Arkenstein) machen den Konflikt für unerfahrene Spieler sofort nachvollziehbar.
- Der Antagonist: Mit dem jungen Kaiserdrachen Drakantor steht ein Gegner im Zentrum, dessen Motivation – die Rückforderung seines Erbes – nachvollziehbar und berechtigt ist.
- Das Setting: Burg Blaustein, wie im Quellenband beschrieben, bietet eine prächtige Kulisse für Intrigen und gefährliche Coups.
Diese Elemente legen den Grundstein für ein episches und motivierendes Einsteiger-Abenteuer.
Bereiche mit Verbesserungsbedarf
Leider zeigen sich in der Ausarbeitung Mängel, die das Spielerlebnis erheblich trüben.
1. Qualität des Lektorats ist „unakzeptabel“
Der offensichtlichste und frustrierendste Mangel ist die mangelhafte Sorgfalt im Lektorat und Korrektorat. Auf nahezu jeder Seite finden sich peinliche Rechtschreib- und Kommafehler. Selbst das Eingangs-Zitat, ein wichtiges Stimmungselement, enthält einen Fehler, der bei einer grundlegenden Korrektur hätte auffallen müssen. Fazit: Dieses Niveau der Sorgfalt ist für ein offizielles Pen-&-Paper-Produkt ungenügend und lässt den Schluss zu, dass die Veröffentlichung unter massivem Zeitdruck stand. Angesichts der Qualität des vorausgehenden Quellenbandes und der Kooperation mit Partnern ist dieser Mangel an Professionalität besonders enttäuschend.
2. Tonalität: Zwischen Hotzenplotz und Hochspannung
Die gewählte Tonalität empfinde ich als inkonsistent und dem ernsten Setting abträglich. Die Titulierung des wichtigsten Erbstücks als „das gute Stück“ durch den sterbenden Junker wirkt albern und verharmlosend. Die späteren Einlagen – von der TSA-Geweihten im Regenbogen-Gewand beim Versteckspiel bis hin zu Ablenkungen durch bettlägerige und liebestolle NPCs – führen zu einer „Hotzenplotzigkeit“, die den Mythos von Burg Blaustein und den Drachenkonflikt unnötig trivialisiert. Der gut gemeinte Versuch, die Dungeon-Crawl-Stimmung durch Auszüge aus eine diebische Gutenachtgeschichte zu erzeugen geht leider nach hinten los. Kritik: Wenn ein Abenteuer Drachen und göttliche Feiertage thematisiert, sollte der Tonfall diese Erhabenheit widerspiegeln. Der ständige Hang zur Überraschungs-Albernheit untergräbt die Spannung und die Glaubwürdigkeit der Charaktere.
3. Motivation und Plot-Logik: Mehr Fragen als Antworten
Die Hintergrundgeschichte und die Motivationen der handelnden Parteien sind willkürlich und lückenhaft dargestellt.
- Der Auslöser: Die Umwidmung der Kapelle von Rondra zu Ingerimm wird als Auslöser für Drakantors Rückkehr genannt. Die Gründe für diesen tiefgreifenden religiösen Wandel bleiben undefiniert. Dass Junker Balinor und Narax trotz des Geheimnisses des Blausteins keine höchste Vorsicht walten lassen, wirkt undurchdacht.
- Die Agentin: Die verstoßene Elfe als Verbündete des Drachen ist ein guter Kniff, aber ihre mangelnde Kenntnis der Burg und der Seilschaften macht sie zu einem äußerst unzuverlässigen (und damit unglaubwürdigen) Auftraggeber.
- Heldenmotivation: Die Helden ausschließlich mit der Aussicht auf spekulative Beute in eine extrem gefährliche Diebesmission gegen eine stark befestigte Burg zu schicken, ist für viele Heldentypen (Ritter, Geweihte) unpassend und demotivierend. Die Fokussierung auf „Glücksritter“ schließt zu viele klassische DSA-Archetypen unnötig aus
4. Die Umsetzung des Einbruchs: Improvisation ohne Plan
Der gesamte Infiltrationsversuch leidet unter der fehlenden Struktur und Visualisierung, was dem Setting der stattlichen Festung nicht gerecht wird.
- Fehlende Blaupause: Die fehlende Karte der Burg ist ein großer Mangel. Spieler und Spielleiter sollen „Einfallsreichtum und Improvisation“ nutzen, können dies aber nicht sachlich fundiert tun, da ihnen die notwendigen Informationen über Gänge, Wachposten oder Fluchtwege fehlen.
- Einbrechen für Anfänger: Die Burg kann nur durch ein absurdes Täuschungsmanöver oder eine recht einfache Kletterprobe zu überwinden sein. Dies ignoriert die zahlreichen Ausbauten und Sicherungen, die im Quellenband thematisiert wurden. Die Wachen scheinen trotz des Drachenalarms und des nahenden Festes bemerkenswert unaufmerksam zu sein.
- Alberne Ablenkungen: Die Überraschungselemente im Burginneren (Kinder, Trunkenbolde, konkurrierende Zwerge, Feueralarm) sind zwar lebendig, aber sie wirken willkürlich aneinandergereiht und dienen nur dazu, die Gruppe in Stress zu versetzen, anstatt eine organische Herausforderung darzustellen. Insbesondere die Kopie des Karfunkels durch die Zwerge erzeugt Frustration, da die Helden selbst bei guter Planung und Ausführung dennoch scheitern können.
Konstruktive Empfehlungen
Das Abenteuer hat eine zweite Chance verdient. Eine Überarbeitung sollte sich auf folgende Punkte konzentrieren:
- Priorität: Lektorat: Eine vollständige und gründliche Korrektur sollte erfolgen, um die Professionalität des Produkts zu gewährleisten.
- Kartenmaterial hinzufügen: Eine detaillierte Karte der relevanten Burgbereiche (mit Wachposten-Informationen) ist für einen klassischen Dungeon-Crawl zwingend erforderlich, damit der Einbruch planbar und der Spielleiter faire Entscheidungen treffen kann.
- Tonalität anpassen: Die eher albernen Elemente könnten reduziert oder als optionale Szenen gekennzeichnet werden. Der Ton sollte der Epik des Drachenkonflikts und der Würde der Burg entsprechen.
- Motivation schärfen: Wünschenwert wäre eine authentischere, nicht-spekulative Motivatation (z.B. eine Bedrohung, Entführung, Beherrschungsmagie, Erpressung, eine ritterliche Ehrensache) für die Helden, um auch ehrenhafte Charaktere zu integrieren.
- Fluchtweg definieren: Der Spielleiter sollte zumindest einen vorgeschlagenen Fluchtweg (Geheimtunnel, ungenutzte Zisterne) an die Hand bekommen, damit die Flucht kein willkürliches „Versteckspiel“ in einer brennenden Burg wird.
Dieses Heldenwerk ist eine verpasste Gelegenheit, ein herausragendes Setting gebührend zu würdigen. Mit gezielten Überarbeitungen im Hinblick auf Sorgfalt, Konsistenz und Planbarkeit könnte „Der Schatz von Blaustein“ jedoch noch zu einem denkwürdigen Abenteuer werden.
Was ist deine Meinung zum Heldenwerk „Der Schatz von Blaustein“? Wirst du deine Helden in die Burg einbrechen und den Blaustein stehlen lassen? Welche Hilfsmittel hättest du dir als Meister gewünscht?




